Land am Strome – warum Photovoltaik Österreichs Zukunft sichert
Die Energiekrise, steigende Strompreise und die Suche nach Planungssicherheit beschäftigen Unternehmen in ganz Österreich. In einem Gespräch mit Showhost Stephan Blahut, Generalsekretär des Österreichischen Gewerbevereins, erklärt Photovoltaik-Pionierin Cornelia Daniel, warum Photovoltaik auf Unternehmensdächern heute wirtschaftlicher ist als je zuvor – und wieso Österreich zur „Stromnation“ werden muss, um seinen Wohlstand zu sichern.
Wer die Argumente, Beispiele und Geschichten direkt hören möchte, kann das komplette Gespräch mit Stephan Blahut und Cornelia Daniel im Podcast-Player nach der Einleitung anhören.
Von der WU-Diplomarbeit zur PV-Unternehmerin
Stephan Blahut erinnert gleich zu Beginn daran, dass er Cornelia Daniel seit vielen Jahren kennt – aus einer Zeit, in der sie mit ihrem Unternehmen Dachgold noch im „Treibhaus“ des Österreichischen Gewerbevereins erste Schritte gesetzt hat. Heute gilt sie als eine der profiliertesten Stimmen für gewerbliche Photovoltaik in Österreich.
Den Ursprung ihrer Leidenschaft verortet Cornelia Daniel in ihrer Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien: Sie analysierte den australischen Solarthermiemarkt und kam zum Schluss, dass ein österreichisches Unternehmen dort kaum Chancen hätte – nicht wegen der Technik, sondern wegen der Politik und Marktstrukturen.

„Ich habe damals gelernt: Politik schlägt Technik.“
Diese Erkenntnis prägt ihre Arbeit bis heute: Der Energiemarkt ist für sie ein hochpolitischer Raum, in dem enorme Summen und Interessen im Spiel sind. Technik allein reicht nicht – ohne passende Rahmenbedingungen bleibt viel Potenzial liegen.
Photovoltaik ist die günstigste Energieform – und trotzdem zögern viele
Stephan Blahut lenkt das Gespräch auf eine zentrale Frage: Wenn Photovoltaik so günstig ist, warum investieren dann nicht längst alle Unternehmen?
Cornelia Daniel erlebt seit 15 Jahren, dass sie im Kern immer noch dieselben Dinge erklären muss. Kaum jemand wisse spontan, wie hoch der eigene Strompreis sei – die Bandbreite bei ihren Kundinnen und Kunden reiche von rund 10 bis 30 Cent pro Kilowattstunde.

Wenn sie dann vorrechnet, dass Strom vom eigenen Dach oft bei etwa fünf Cent pro Kilowattstunde liegt, sei die Reaktion immer gleich: Überraschung, Staunen, Geschäftsinteresse.
Ihr Unternehmen Dachgold und die Initiative „1000 und 1 Dach“ positionieren sich bewusst als Aufwandminimierer: Geschäftsführende sollen sich nicht durch Förderanträge, Netzzugänge und Angebotsvergleiche kämpfen müssen. In einem strukturierten Prozess – zwei Termine von jeweils rund eineinhalb Stunden – kann ein Projekt so weit aufgesetzt werden, dass eine Entscheidung möglich ist.
Der eigentliche Engpass, den sie bei Unternehmen sieht, ist weniger das Geld als die Zeit, sich mit Energiethemen zu beschäftigen.
1000 und 1 Dach – von der verrückten Idee zur Erfolgsinitiative
Stephan Blahut erinnert an die frühen Tage, als „1000 und 1 Dach“ eher wie eine kühne Vision wirkte als wie ein realistisches Ziel.
Cornelia Daniel schildert, wie aus einer auf Wirtschaftlichkeitsberatung spezialisierten Ein-Personen-Expertin eine Umsetzungsplattform wurde: Auf Basis der Gestehungskosten rechnete sie zunächst vor, wie attraktiv PV-Investitionen sind. Bald war klar, dass viele Unternehmen nicht nur Beratung, sondern eine Lösung aus einer Hand wollten.
„Noch immer wissen viele nicht, dass Photovoltaik die günstigste Energieform ist.“
Gemeinsam mit einem Umsetzungspartner entstand „1000 und 1 Dach“ – mit einem Ziel, das anfangs fast einschüchternd wirkte. Die ersten Jahre waren zäh:
- Im ersten Jahr nur ein bis zwei Projekte im Gewerbebereich
- Nach drei Jahren gerade einmal rund 100 Dächer
- Hoher Aufwand für Genehmigungen, Förderung, Netzzugang
Mit steigenden Strompreisen, wachsendem Bewusstsein für Resilienz und Rückenwind nach Corona setzte schließlich eine Art Exponentialkurve ein. 2023 erreichte das Team tatsächlich das Ziel von 1000 und 1 Unternehmensdach – heute liegt die Zahl bereits bei rund 1500 Dachanlagen.
Ein „Dach“ wird dabei mit 20 kW Leistung definiert; große Projekte entsprechen daher mehreren „Dächern“. Übergeordnet bleibt das langfristige Ziel von Dachgold: auf jedem Unternehmensdach in Österreich eine Photovoltaikanlage.
Werkzeuge für den Einstieg – vom Flachdach-Check bis zum „Jackpot-Dach“
Um den ersten Schritt zu erleichtern, verweist Stephan Blahut auf die digitalen Werkzeuge, die Cornelia Daniel entwickelt hat.
Sie nennt unter anderem:
- den Flachdachchecker, mit dem sich online schnell prüfen lässt, wie viel Leistung auf ein Dach passt und wie viel Strom damit erzeugt werden kann
- einfache Gestehungskosten-Rechner auf der Website von Dachgold, die eine erste Wirtschaftlichkeitsabschätzung ermöglichen
Entscheidend bleibt dennoch der Blick aufs Dach selbst: Oft zeigt sich beim ersten Check, dass eine Sanierung ansteht oder die Dachhaut nicht ideal für eine direkte Belegung ist. Die Kosten für eine Dachsanierung liegen pro Quadratmeter deutlich über den Kosten der PV-Anlage und können ein Projekt auf den ersten Blick verteuern – langfristig führt an der Sanierung aber kein Weg vorbei.
In diesem Zusammenhang hat Cornelia Daniel den Begriff „Jackpot-Dach“ geprägt:
Ein Jackpot-Dach ist für sie ein Dach mit rund 100 Quadratmetern Fläche, das nicht sanierungsbedürftig ist – im Idealfall ein Trapezblechdach oder ein gekiestes Flachdach. Auch Förderinstrumente wie der Wiener „Solar-Fit-Check“, über den Unternehmen ein ausgearbeitetes, gefördertes Projekt erhalten können, spielen in ihrer Aufklärungsarbeit eine wichtige Rolle.
Frauen in der Energiebranche – keine Angst vor der Kilowattstunde
Stephan Blahut spricht im weiteren Verlauf ein Thema an, das häufig übersehen wird: Cornelia Daniel arbeitet in einer traditionell männlich dominierten Branche.
Sie selbst beschreibt sich als relativ „blind“ für viele klassische Frauenthemen – nicht, weil es keine Benachteiligungen gäbe, sondern weil sie sich früh entschieden hat, sich davon nicht bremsen zu lassen. Die Kombination „Photovoltaik“ und „Frau“ habe ihr sogar Sichtbarkeit verschafft.
Wichtiger ist ihr ein anderer Punkt:
„Frauen sollten keine Angst vor Themen haben, die sie nicht studiert haben“, betont sie.
Cornelia Daniel hat Wirtschaft studiert und sich ihr technisches Wissen über Photovoltaik nach dem Studium aufgebaut. Ihrer Erfahrung nach lässt sich in zwei Jahren praktisch alles lernen, was man für ein neues Feld braucht – gerade heute, wo so viele Informationen online verfügbar sind.
Ihr Appell an junge Frauen lautet daher:

Keine Angst vor der Kilowattstunde – alles andere kann man lernen.
Sie weist darauf hin, dass in der Energiewirtschaft weit mehr gebraucht wird als reine Technik: Projektmanagement, Marketing, Kommunikation, Systemverständnis – Rollen, in denen viele Frauen einen starken Beitrag leisten können.
Österreich als Stromnation – warum Elektrifizierung der Schlüssel ist
Gegen Ende des Gesprächs wechselt Stephan Blahut die Ebene und spricht das Energierecht und die politische Debatte rund um das Erneuerbaren-Ausbau- und Leitungsausbau-Gesetz (ELWG) an.
Cornelia Daniel beschreibt, wie in den aktuellen Verhandlungen zeitweise Modelle im Raum standen, die Einspeiser durch zusätzliche Netzentgelte belasten würden. Aus ihrer Sicht wäre das volkswirtschaftlich falsch: Man würde ausgerechnet jene bestrafen, die in Effizienz und erneuerbare Erzeugung investiert haben.
Zur Erklärung analysiert sie, warum die Netzkosten überhaupt gestiegen sind:
- Durch hohe Strompreise und Effizienzmaßnahmen (z. B. LED-Umstellungen) ist der Stromverbrauch gesunken.
- Zugleich speisen immer mehr Photovoltaikanlagen ein.
- Weniger durchgeleitete Kilowattstunden müssen die fixen Netzkosten tragen – bei unverändertem Systemdesign steigen damit die Kosten pro Einheit.
Während Europa diese Entwicklung als Problem erlebt, setzten Staaten wie China auf ein anderes Modell: Sie bauen erneuerbare Energien massiv aus und treiben parallel die Elektrifizierung von Industrie, Mobilität und Wärme voran.
„Die Staaten, die es schaffen, eine Stromnation aufzubauen, haben den Wohlstand für die Zukunft gesichert“, fasst Cornelia Daniel zusammen.
Für Österreich bedeutet das aus ihrer Sicht:
- Erneuerbare Energien (Sonne, Wind, Wasser) entschlossen ausbauen
- Elektrifizierung von Prozessen, Heizung und Mobilität beschleunigen
- Speicher und Batterielösungen nutzen, um Netze zu entlasten
- Planbare, langfristige Regeln schaffen – statt Förderstopps und politischen „Zuckerl-und-Peitsche“-Zyklen
Die österreichische Hymne mit ihrem „Land am Strome“ wird für sie damit zur programmatischen Vision: Österreich muss sich als Stromnation neu definieren, wenn es seinen industriepolitischen Vorsprung und Wohlstand sichern will.
Was Unternehmen jetzt tun sollten
Stephan Blahut bringt die Diskussion schließlich auf einen praktischen Punkt: Was heißt das alles für Unternehmen, die heute Verantwortung übernehmen wollen – für die eigene Kostenstruktur und für die Klimaziele?
Aus dem Gespräch lassen sich klare Handlungsschritte ableiten:
- Dachflächen prüfen lassen – insbesondere, ob ein „Jackpot-Dach“ vorliegt
- Erste Wirtschaftlichkeitsrechnungen durchführen (Gestehungskosten, Eigenverbrauch, Amortisationszeit)
- Netzzugang frühzeitig sichern und nicht auf spätere, ungewisse Bedingungen warten
- Förderprogramme nutzen, solange sie Planungssicherheit bieten
- Intern Zeitfenster schaffen, um Energiefragen strategisch zu behandeln – nicht nur als Nebenthema
Photovoltaik auf Unternehmensdächern ist heute nicht nur ein Beitrag zur Energiewende, sondern ein handfester wirtschaftlicher Vorteil. Das Gespräch zwischen Stephan Blahut und Cornelia Daniel zeigt dabei deutlich: Die Lücke zwischen „tun“ und „nicht tun“ ist kleiner, als viele denken.
Wenn Sie tiefer einsteigen möchten, empfehlen wir Ihnen, die ganze Folge als Podcast anzuhören.
Weiterführende Links zum Thema:
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Der Song zum Podcast ist „Blister in the Sun“ von Violent Femmes.
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Der Podcast wird produziert von der Agentur Quickdraw Podcasts
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Diese Podcastserie entsteht mit Unterstützung des ÖGV – Österreichischer Gewerbeverein
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