Prävention ist unser Angriffspressing – Severin Moritzer über Integrität im Sport
Im Advent-Podcast „24 Tage, 24 Menschen, 24 Geschichten“ spricht Showhost Stephan Blahut, Generalsekretär des Österreichischen Gewerbevereins, mit Severin Moritzer über ein Thema, das meist erst dann sichtbar wird, wenn es zu spät ist: Wettbewerbsmanipulation im Sport. Moritzer leitet seit vielen Jahren den Verein Play Fair Code und erklärt, warum es beim Schutz der Sportintegrität nicht nur um Ergebnisse geht, sondern um die Glaubwürdigkeit einer ganzen Gesellschaft.
Wer das Gespräch mit allen Beispielen und Anekdoten hören möchte, kann die komplette Folge mit Stephan Blahut und Severin Moritzer direkt im Anschluss im Podcast-Player anhören.
Vom Jus-Studium zur Schwindelprävention im Sport
Stephan Blahut stellt seinen Gast als jemanden vor, der mehrere Welten verbindet: Severin Moritzer hat Jus studiert, in einer Anwaltskanzlei gearbeitet, mehr als zehn Jahre Erfahrung in Film und Fernsehen gesammelt – und leitet heute Play Fair Code, einen Verein, der sich der Prävention von Spiel- und Wettbewerbsmanipulation verschrieben hat.
Der Start war alles andere als glamourös: ein MacBook, eine Satzung und die Überzeugung, dass der Sport einen eigenen Schutz braucht. Play Fair Code ist als gemeinnütziger Verein organisiert; Umsatz und Rendite spielen keine Rolle, wichtig sind andere Kennzahlen: Wie viele Athletinnen und Athleten erreicht man? Wie oft können Verbände, Trainerteams und Schiedsrichter geschult werden? Severin Moritzer beschreibt das Aufgabenfeld als Schnittstelle zwischen Sport und unlauterem Wettbewerb.
Bei uns ist der unlautere Wettbewerb der, der am Sportplatz stattfindet.“
Gemeint sind Wettbewerbsmanipulationen, bei denen Ergebnisse absichtlich verändert werden – entweder aus sporttaktischen Gründen oder, deutlich häufiger, im Zusammenspiel mit Sportwetten und organisierter Kriminalität.
Integrität im Sport – mehr als nur Doping
Stephan Blahut lenkt das Gespräch auf den größeren Rahmen: Integrität im Sport. Moritzer ordnet das Thema klar ein. Unter der Überschrift „Integrität“ versammeln sich mehrere Problemfelder:
- Doping – die klassische Leistungssteigerung durch verbotene Substanzen
- Wettbewerbsmanipulation – absichtliche Schlechterleistung für ein vorher abgesprochenes Ergebnis
- Fangewalt – Gewalt durch oder rund um Fans
- Rassismus – ein Dauerproblem quer durch den Sport
- „Safe Sport“ – physische und sexualisierte Gewalt gegenüber Sportlerinnen und Sportlern
Play Fair Code kümmert sich insbesondere um den Bereich Wettbewerbsmanipulation. Wichtig ist dabei die Perspektive: Während Doping auf eine bessere Leistung abzielt, geht es bei Spielmanipulation genau um das Gegenteil – jemand spielt bewusst schlechter, um ein vorher vereinbartes Resultat zu erreichen. Moritzer betont, dass es dabei nicht nur um Sportromantik geht, sondern um gesellschaftliche Signale.

Der Sport ist ein Spiegel der Gesellschaft.„
Severin Moritzer
Wenn ausgerechnet im Sport getrickst und manipuliert wird, trifft das einen Bereich, der als Vorbild für Fairness, Teamgeist und Leistung gilt – im Profibereich ebenso wie im Amateur- und Nachwuchssport.
Prävention statt Polizei – wie Play Fair Code arbeitet
Stephan Blahut fragt nach dem konkreten Auftrag: Wie arbeitet Play Fair Code, wenn der Verein selbst keine Polizei ist?
Moritzer beschreibt die Rollenverteilung klar: Play Fair Code ist für Prävention und Bewusstseinsbildung zuständig, nicht für Ermittlungen. Wenn Prävention nicht greift und es zu Verdachtsfällen kommt, übernimmt das Bundeskriminalamt – mit dem der Verein seit vielen Jahren eng zusammenarbeitet.
Die Grundlage der Arbeit ist ein dichtes Netzwerk:
- 11 bis 12 zentrale Sportverbände sind Mitglied – darunter ÖFB, Bundesliga, aber auch Tennis, Tischtennis, Handball, Volleyball, Eishockey und Ski.
- In allen diesen Sportarten gibt es bewettbare Wettbewerbe, also ein relevantes Risiko für Manipulation.
Play Fair Code arbeitet konsequent zweigleisig:
- im Profibereich, etwa bei Teams der Bundesliga oder in Eishockey-Ligen
- im Nachwuchsbereich, über Akademien und Talentezentren
Ziel ist es, Athletinnen und Athleten über ihre gesamte Laufbahn immer wieder zu erreichen.
Ein Fehler in unserem Thema in jungen Jahren kann eine Karriere fast schneller beenden als eine schwere Verletzung.“
Pro Jahr kommen so rund 150 bis 160 Workshops, Schulungen und Seminare zusammen – mit insgesamt etwa 3.500 bis 4.000 teilnehmenden Personen. Die Botschaft ist dabei bewusst sachlich: Es geht um das Phänomen, die Gefahren, die strafrechtlichen Konsequenzen und um disziplinarrechtliche Folgen innerhalb des Sports.
Vom Kavaliersdelikt zum Karrierekiller
Stephan Blahut spricht einen Punkt an, den viele aus älteren Fußballgeschichten kennen: Die Vorstellung, Spielmanipulation sei ein „Kavaliersdelikt“. Moritzer bestätigt, dass diese Haltung lange verbreitet war – auch in Teilen der älteren Fußballgeneration.
Das hat sich geändert. Spätestens seit einem großen Manipulationsskandal in der österreichischen Bundesliga im Jahr 2013 wird das Thema anders wahrgenommen. In den letzten Jahren kamen weitere Fälle hinzu, etwa in der Regionalliga (dritte Leistungsstufe) und im österreichischen Profi-Basketball.
Heute ist klar: Wer sich an Spielmanipulationen beteiligt, riskiert nicht nur eine Verwarnung, sondern seine Freiheit und seine Karriere:
- Strafrechtlich drohen Verurteilungen wegen Betrugs – mit möglicher Freiheitsstrafe.
- Disziplinarrechtlich drohen langjährige oder lebenslange Sperren durch Verbände.
Play Fair Code betreibt zudem eine interne Meldestelle und eine externe Ombudsstelle. Mehrmals pro Halbjahr melden sich Athletinnen, Athleten oder Personen aus dem Umfeld – von einfachen Wahrnehmungen bis hin zu konkreten Ansprachen über Social Media, in denen Manipulationsangebote gemacht werden. Die Erfahrung zeigt: Je länger Athletinnen und Athleten den Verein aus Schulungen kennen, desto eher suchen sie aktiv den Kontakt, wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt.
Prävention als „Angriffspressing“ – und was wir daraus lernen können
Gegen Ende des Gesprächs geht Stephan Blahut auf einen Begriff ein, den Moritzer auch in sozialen Medien verwendet: Prävention als „Angriffspressing“.
Moritzer nutzt damit bewusst ein Bild aus dem Fußball. Statt abzuwarten, was passiert, setzt Prävention auf aktives, hohes Anlaufen:
- Probleme werden früh angesprochen.
- Spielerinnen und Spieler sollen schon vor der ersten Berührung mit dubiosen Angeboten wissen, worauf sie achten müssen.
Der Sport schafft Strukturen, in denen Warnsignale ernst genommen und gemeldet werden können.
Die Realität dahinter beschreibt er nüchtern: Die Versuchungen werden zunehmen, weil organisierte Kriminalität Sportwetten als lukrative Einnahme- und Geldwäschemöglichkeit entdeckt hat. Gleichzeitig wächst das Verständnis in der Politik: Die neue Sportstaatssekretärin hat den Ausbau der Prävention ausdrücklich eingefordert.
Für Menschen außerhalb des Profisports bleibt eine zentrale Botschaft: Integrität beginnt nicht erst in der Champions League. Fairness, Transparenz und das Bewusstsein für die Gefahren von Spielmanipulation betreffen auch den Amateurbereich – insbesondere, weil heutzutage auch untere Ligen und Nachwuchsspiele auf Wettplattformen auftauchen können.
Das ganze Gespräch können Sie auch gleich hier nachhören:
Weiterführende Links zum Thema:
Websites:
Social Media
- LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/severin-moritzer-64498b12b/
- Instagram: https://www.instagram.com/playfaircode/
Der Song zum Podcast ist „We are the People“ von Empire of the Sun.
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Der Podcast wird produziert von der Agentur Quickdraw Podcasts
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Diese Podcastserie entsteht mit Unterstützung des ÖGV – Österreichischer Gewerbeverein
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