Verpackung zwischen Tradition, Japan und Europa – Stefano Cantini im Gespräch mit Stephan Blahut
In einer weiteren Folge von „24 Tage, 24 Menschen, 24 Geschichten“ spricht Showhost Stephan Blahut mit Stefano Cantini, Geschäftsführer der Karba Pack GmbH in Wien. Es geht um die Zukunft der Verpackungsindustrie, die Realität der Deindustrialisierung, internationale Erfahrungen zwischen Japan und Europa und die Verantwortung, ein Familienunternehmen in sechster Generation durch schwierige Zeiten zu führen.
Wer alle Details, Anekdoten und persönlichen Geschichten hören möchte, kann die komplette Podcastfolge mit Stephan Blahut und Stefano Cantini direkt nach dieser Einleitung im Player anhören.
Sechste Generation Verpackung – ein „moderner“ Familienbetrieb
Stephan Blahut stellt seinen Gast als Geschäftsführer eines alteingesessenen Verpackungsbetriebs in Hernals vor, der auf flexible Verpackungen für die Lebensmittelindustrie spezialisiert ist. Karba Pack wurde 1895 gegründet, ursprünglich unter dem Namen „Erste Wiener Gelatinwarenindustrie“. Heute produziert das Unternehmen Folien, die später als Lebensmittelverpackung eingesetzt werden.
Stefano Cantini beschreibt, wie sehr das Unternehmen von seiner Geschichte geprägt ist – und zugleich von wechselnden Nationalitäten in der Familie: Der Gründer war Tscheche, später folgten unter anderem Ungarn und Slowenen, heute steht ein Italiener an der Spitze. Drei Mal war der Betrieb in Damenhand, etwa während der Weltkriege und zuletzt durch seine Mutter.
Er bringt den Kern seines Geschäfts auf einen prägnanten Satz:
Wir produzieren, was andere wegschmeißen. In dem Sinne sind wir manchmal der Buhmann der Nation – aber verzichten kann man auf Verpackung nicht.“
Flexible Kunststoffverpackungen schützen Lebensmittel, verlängern Haltbarkeit und tragen Markenauftritt und gesetzliche Informationen. Gleichzeitig steht die Branche im Zentrum der Nachhaltigkeitsdebatte – zwischen Regulierung, Kundenerwartungen und Kostendruck.
Ein Leben zwischen 20 Ländern und Japan – was Europa lernen kann
Stephan Blahut interessiert besonders die internationale Biografie seines Gastes. Cantini ist Italiener, aber weder in Italien noch in Österreich aufgewachsen. Als Kind lebte er im Nahen Osten, in Afrika und Südamerika. Später verbrachte er zwei Jahre in Japan – im Rahmen des „Executive Training Programme“ der EU, inklusive Studium an der Sophia University und Arbeit in japanischen Unternehmen.
Im Gespräch zeichnet er ein klares Bild kultureller Unterschiede:
- In Japan organisieren sich Teams schnell, verteilen Aufgaben und arbeiten geschlossen an einer Lösung.
- In Europa dauert oft schon die Einigung, wer überhaupt schreibt oder spricht.
- Respekt und Vertrauen sind Grundannahmen – niemand geht automatisch davon aus, dass sein Gegenüber lügt oder betrügt.
Ein weiterer Vergleich betrifft das Verhältnis zur Arbeit: Während in Österreich viele ihren Lebensweg auf das „Ziel“ Pension ausrichten, verstehen Japaner Schule, Arbeit und späteres Leben eher als gleichwertige Etappen. Jeder Abschnitt hat seinen Wert – nicht nur die Zeit danach.
Kosten, Förderpolitik und Deindustrialisierung – warum die Produktion nach Ungarn ging
Auf Nachfrage von Stephan Blahut schildert Stefano Cantini sehr offen, warum Karba Pack die Produktion nach Ungarn verlegt hat, während Verwaltung, Vertrieb und Entwicklung in Wien geblieben sind.
Die Gründe sind eindeutig:
- massiv steigende Lohnkosten in Österreich
- hoher Investitionsbedarf für neue Maschinen
- fehlende Unterstützung bei Investitionen im Inland
- gleichzeitig starke Förderung von Produktionsbetrieben in Nachbarländern wie Ungarn, Tschechien oder der Slowakei
Er berichtet von einem Termin mit mehreren österreichischen Förderstellen, bei dem er Unterstützung für eine neue Druckmaschine in Millionenhöhe suchte. Die Antwort:

„Man hat mir geraten, ich soll das Werk in Wien schließen und in Osteuropa produzieren.“
Nach einigen Jahren des Kampfes blieb ihm kaum eine andere Wahl, als die Produktion zu verlagern. Im Rückblick sieht er diese Entscheidung wirtschaftlich als notwendig, emotional aber bis heute als schmerzhaft.
Gleichzeitig ordnet er seine Erfahrung in einen größeren Kontext ein: Österreich befinde sich seit Jahren in einer stillen Deindustrialisierung. Laufend schließen Betriebe, Arbeitsplätze und Kaufkraft gehen verloren. Die Folge: Produktionsstandorte im Osten Europas produzieren zu ihren – im Vergleich nach wie vor günstigeren – Kosten und verkaufen zu österreichischen Preisen in den Markt hinein. Für klassische mittelständische Produktionsbetriebe ohne starke Nische wird es damit immer schwieriger.
Von Gelatine-folien zum Recyclingbutton – die Zukunft der Lebensmittelverpackung
Stephan Blahut lenkt das Gespräch auf die Materialien. Karba Pack begann historisch mit gelatinbasierten Zellulosefolien: Im Keller des heutigen Standorts wurden Masse in Kupferwannen hergestellt, Glasplatten eingetunkt, getrocknet und als Folienblätter abgezogen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nähten hunderte Frauen – viele davon zu Hause – aus diesen Blättern Beutel.
Mit der Einführung erdölbasierter Kunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen oder Polyamid explodierte die Verpackungswelt: Rollenware, schnellere Druckmaschinen, dünnere und stabilere Folien, maßgeschneiderte Barrieren gegen Feuchtigkeit oder Sauerstoff. Gleichzeitig änderte sich die Handelslandschaft: Die Dichte an Supermärkten in Österreich wuchs, kleine „Krämer ums Eck“ verschwanden weitgehend.
Heute steht die Branche vor einem neuen Umbruch:
- EU-Vorgaben fordern mehr Recyclingfähigkeit, weniger Materialeinsatz und den Einsatz von Rezyklaten.
- Die Entwicklung geht Richtung Monomaterial, also Folien, die aus einem Kunststoff bestehen und leichter recycelbar sind.
- Biofolien aus Stärke oder anderen nachwachsenden Rohstoffen klingen attraktiv, sind aber deutlich teurer – und berühren die ethische Frage, ob Lebensmittel zur Verpackungsproduktion verwendet werden sollen.
Es klingt alles wunderschön, wenn man Biofolien präsentiert – aber kaum jemand ist bereit, dafür das Vielfache zu zahlen.“
Parallel dazu treiben Gesetze und Kundenerwartungen die Entwicklung: Auf Verpackungen soll nicht nur „laktosefrei“ oder „glutenfrei“ stehen, sondern auch „recyclierbar“ oder „CO₂-neutral produziert“. Marken orientieren sich an diesen Buttons – und Unternehmen wie Karba Pack müssen Lösungen finden, die technisch funktionieren, rechtlich zulässig sind und wirtschaftlich überleben lassen.
Motivation, Europa und der Wunsch nach Frieden
Zum Schluss fragt Stephan Blahut, was seinen Gast persönlich antreibt – in einer Branche unter Druck und in einem wirtschaftlich herausfordernden Umfeld.
Stefano Cantini beschreibt sich als grundsätzlich positiv eingestellten Menschen und großen Familienmenschen. Er fühlt sich den Generationen vor ihm verpflichtet, die den Betrieb aufgebaut haben. Seine Motivation ist weniger finanziell geprägt als von Verantwortung:
Es ist schon lange nicht mehr nur eine ökonomische Motivation – ich fühle mich dem Betrieb und allem, wofür er steht, verpflichtet.“

Zuversichtlich stimmt ihn die junge Generation: gut ausgebildet, international, europäisch denkend. Seine beiden Kinder und deren Umfeld erlebt er als offen, motiviert und bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Sein größter Wunsch – passend zur Ausstrahlung im Advent – ist überraschend klar: Nach einer Kindheit im Nahen Osten, in Ländern, die später allesamt Kriege erlebt haben, hofft er, dass die aktuelle Generation lernt, Konflikte endlich anders zu lösen. Kriege – ob im Nahen Osten oder in Europa – müssten ein Ende haben. Gleichzeitig wünscht er sich ein besseres Klima gegenüber Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich. Mittelständische Betriebe seien in vielen Fällen nichts anderes als große Familien – und bräuchten Wertschätzung statt pauschaler Feindbilder.
Das ganze Gespräch können Sie auch gleich hier nachhören:
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Der Song zum Podcast ist „Africa“ von Toto.
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