Quo vadis Österreich? Neutralität, Wohlstand und Europas Rolle – im Gespräch mit Veit Dengler
Stephan Blahut, Generalsekretär des Österreichischen Gewerbevereins , hat mit Veit Dengler über zentrale Zukunftsfragen für Österreich gesprochen: Außen- und Sicherheitspolitik, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Migration, Integration und die Rolle der europäischen Nachbarschaft. Veit Dengler ist Unternehmer, Manager und seit 2024 Nationalratsabgeordneter der NEOS – und bringt damit wirtschaftliche und internationale Erfahrung direkt in den österreichischen Nationalrat ein.
Wenn Sie das Gespräch lieber hören als lesen, können Sie die komplette Podcastfolge gleich hier im Player anhören.
Vom Medienmanager zum Nationalratsabgeordneten
Veit Dengler hat einiges an Erfahrungen in seinem Leben gesammelt – als Manager, Unternehmer und überzeugter Europäer. Stationen bei Dell, Groupon und die Zeit als CEO der NZZ-Mediengruppe haben ihn geprägt. Heute bringt er diese wirtschaftliche Expertise in die österreichische Politik ein.
Im Gespräch erzählt er, dass er zwei große Schwerpunkte im Nationalrat hat: Außen- und Sicherheitspolitik sowie Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig ist er bei den NEOS auch für das Thema Lehre zuständig. Sein roter Faden: Ohne sicheres Umfeld gibt es keinen nachhaltigen Wohlstand – und ohne wirtschaftliche Stärke keine stabile Gesellschaft.

„Wir brauchen ein sicheres, stabiles Umfeld, um wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich blühen zu können. Dieses Umfeld ist in Gefahr.“
Sein Weg in die Politik beginnt 2012 mit der Gründung der NEOS, gemeinsam mit Matthias Strolz. Aus Unzufriedenheit mit einem „führungslosen“ Land, das nach der Finanzkrise 2008 im Vergleich zu anderen Regionen ins Hintertreffen geraten ist, entsteht der Entschluss, eine neue liberale Kraft aufzubauen.
Österreich als Schlusslicht – warum unser Wohlstand unter Druck steht
Ein zentraler Punkt des Gesprächs war die wirtschaftliche Lage. Veit Dengler beschreibt sehr klar, wie sich Europa und insbesondere Österreich seit 2008 von anderen Regionen entkoppelt haben. Während die USA, Kanada, Australien, vor allem aber China starke Wachstumsimpulse verzeichneten, ist Europa ins Hintertreffen geraten – und Österreich steht beim wirtschaftlichen Wachstum aktuell am Ende der EU-Rangliste.
„Österreich ist das Schlusslicht im wirtschaftlichen Wachstum unter allen EU-Ländern in den letzten fünf Jahren.“
Der österreichische Staat hat eine extrem hohe Staatsquote – über 56 Prozent. Das heißt: Mehr als die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung wird vom Staat ausgegeben. Für Dengler ist das ein Kernproblem, weil ein großer Teil dieser Ausgaben in ineffiziente Strukturen fließt – in Verwaltungen, die in dieser Form nicht mehr notwendig wären oder deutlich schlanker und digitaler funktionieren könnten.
Seine Forderung: Wenn wir Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in Österreich erhalten wollen, müssen wir die Grundlagen neu ordnen – weniger Bürokratie, eine schlankere Verwaltung, niedrigere Steuern auf Arbeit und leistbare Energie. Nur dann können wir unseren Wohlstand langfristig sichern.
Außenpolitik, Westbalkan und Freihandel – Europas Nachbarn als Chance
Als außenpolitischer Sprecher der NEOS konzentriert sich Veit Dengler stark auf die europäische Außenpolitik und den Westbalkan. Für ihn ist klar: Die EU-Erweiterung am Westbalkan ist sowohl sicherheitspolitisch als auch wirtschaftlich entscheidend für Europa und speziell für Österreich.
Er spricht davon, dass Länder wie Nordmazedonien, Montenegro, Albanien, Kosovo, später Bosnien und Serbien in die EU integriert werden sollten. Diese EU-Erweiterung am Westbalkan erhöht aus seiner Sicht die Sicherheit – weil Russland und China genau dort versuchen, Einfluss zu nehmen. Gleichzeitig eröffnet sie neue Märkte und stärkt den Wohlstand in Österreich, das historisch und wirtschaftlich eng mit der Region verbunden ist.
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Freihandel. Stephan Blahut fragt ausführlich nach Freihandel und Mercosur. Österreich ist stark exportorientiert, viele Arbeitsplätze hängen an offenen Märkten. Handelsabkommen wie Mercosur sieht Dengler als zentrale Bausteine dafür, dass wir unseren Wohlstand in Österreich sichern können.
„Ganz viel Wohlstand beruht darauf, dass wir Handel treiben.“
Er kritisiert, dass die Diskussion im Nationalrat oft von Mythen geprägt ist – etwa vom Bild eines „Billigfleisches aus Argentinien“, das den europäischen Markt überschwemmen würde. Tatsächlich seien Mengen und Bedingungen streng begrenzt, während gleichzeitig Umweltstandards über den Vertrag abgesichert werden.

Migration und Integration – was wir von Dänemark lernen können
Ein weiterer großer Themenblock ist Migration und Integration in Europa. Veit nennt Dänemark als positives Beispiel: Dort wurden Probleme offen benannt, anstatt sie wegzuschweigen.
Zentrale Punkte:
- Vermeidung von Ghettobildung, indem Migrantinnen und Migranten bewusst über das Land verteilt werden.
- Stärkere Kopplung von Sozialleistungen an die Integration in den Arbeitsmarkt.
- Klare Erwartung: Wer in ein Land einwandert, soll nicht in ein Sozialsystem einwandern, sondern die Chance nutzen, sich über Arbeit eine Existenz aufzubauen.
Für Österreich sieht Dengler hier großen Nachholbedarf. Migration und Integration in Europa funktionieren nur dann, wenn wir klare Regeln haben – und diese auch tatsächlich umsetzen.
Österreichische Neutralität – Schutzschild oder Illusion?
Ein besonders emotional diskutiertes Thema in Österreich ist die Neutralität. Stephan Blahut hat Veit Dengler konkret darauf angesprochen, weil wir uns als Land oft hinter der österreichischen Neutralität verstecken und damit vermeiden, über Sicherheitspolitik und NATO-Mitgliedschaft ehrlich zu sprechen.
Der räumt mit einem verbreiteten Glaubenssatz auf: Neutralität sei ein Garant für Sicherheit.
Er erinnert daran, dass im Zweiten Weltkrieg zahlreiche neutrale Staaten dennoch überfallen wurden. Neutralität sei daher eher eine Haltung als ein Schutzschild – und kann im schlimmsten Fall sogar eine Einladung zur Aggression sein.
„Neutralität schützt per se vor gar nichts.“
Hinzu kommt: Österreich ist über die EU-Verträge ohnehin in eine Beistandspflicht eingebunden. Im Falle eines Angriffs auf einen EU-Staat sind wir verpflichtet zu helfen – militärisch oder mit anderen Mitteln. Die oft gepflegte Vorstellung, wir könnten uns einfach heraushalten, passt nicht mehr zur Realität.
Seine Schlussfolgerung: Wir müssen ehrlich darüber sprechen, wie wir unsere Sicherheit organisieren. In einer vernetzten Welt wird Österreich seine Verteidigung nur gemeinsam mit europäischen Partnern sicherstellen können.

Liberale Politik, Staat und Wohlstand – was sich ändern muss
Im letzten Teil des Gesprächs geht es um die Frage, wie wir Wohlstand in Österreich langfristig sichern. Dengler widerspricht der oft gehörten These, liberale Politik in Österreich sei unmöglich. Österreich sei ein freiheitsliebendes Land – das Problem sei eher, dass die Politik der Bevölkerung hinterherhinke.
Wir sprechen über Themen wie:
- Pensionssystem und längeres Arbeiten in einer älter werdenden Gesellschaft
- Die Notwendigkeit, einen „furchtbar ineffizienten Staat“ zu verschlanken
- Hohe Steuerbelastung auf Arbeit
- Den Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand in Österreich
„Wir müssen die Grundlagen unseres Wohlstands wieder aufbauen.“
Für ihn ist klar: Ohne Reformen bei Staat, Steuern, Energie und Freihandel werden wir die finanziellen Mittel für gute Schulen, Kultur, Gesundheit und Umweltschutz nicht halten können.
Junge Menschen und Politik – warum Engagement sich lohnt
Was er jungen Menschen raten würde, die überlegen, sich politisch zu engagieren? Seine Antwort ist ermutigend: Politik ist ein Handwerk, das man lernen kann – und soll.
Er plädiert dafür, Schlagworte kritisch zu hinterfragen: Wenn Parteien weniger Regulierung versprechen, dann sollten sie auch Gesetze abbauen, nicht nur neue schaffen. Wenn von einem „schlankeren Staat“ die Rede ist, muss das auch an konkreten Zahlen und Maßnahmen sichtbar werden.
Seine Botschaft an politisch Interessierte: Einsteigen, mitreden, genau hinsehen – und Politikerinnen und Politiker an ihren tatsächlichen Ergebnissen messen.
Fazit des Gesprächs
Das Gespräch mit Veit Dengler ist ein konzentrierter Blick auf viele Baustellen, die wir als Gesellschaft gerne wegschieben: Außenpolitik, österreichische Neutralität, Freihandel, Migration und die Frage, wie wir unseren Wohlstand in Österreich sichern.
Im Kern bleibt: Wenn wir Sicherheit, Freiheit und Wohlstand in Österreich auch in Zukunft haben wollen, müssen wir uns bewegen – politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Und genau dazu lädt diese Podcastfolge ein: zuzuhören, mitzudenken und sich ein eigenes Bild zu machen.
Wenn Sie tiefer einsteigen möchten, empfehlen wir Ihnen, die ganze Folge als Podcast anzuhören.
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Der Song zum Podcast ist „Wind of Change“ von den Scorpions.
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Der Podcast wird produziert von der Agentur Quickdraw Podcasts
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Diese Podcastserie entsteht mit Unterstützung des ÖGV – Österreichischer Gewerbeverein
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